Kulturen vergleichen:
Die Griechen und die Anderen

Der bedeutendste französische Antiquar des 18. Jahrhunderts war der Comte de Caylus. Sein Versuch einer vergleichenden Stilanalyse von Werken verschiedener antiker Kulturen beeinflusste Winckelmann nachhaltig. Doch während Caylus der Meinung war, die Kunst sei bei den Ägyptern erfunden und dann nacheinander von einer Kultur an die nächste weitergegeben worden, entwarf Winckelmann ein Gegenmodell: Auf der Suche nach dem Schönen habe jedes Volk seine eigene Kunst entwickelt.

Eine wechselseitige Beeinflussung habe es nur in späten Verfallsperioden gegeben. Die vergleichende Betrachtung der antiken Kulturen in Winckelmanns Hauptwerk, der Geschichte der Kunst des Altertums, ähnelt einem Versuchsaufbau: Nacheinander werden die Kunst der Ägypter, der Etrusker und einiger anderer Völker unter dem Gesichtspunkt ihrer Entwicklungsfähigkeit geprüft. Es zeigt sich, dass sie auf dem Weg zum Idealschönen unterschiedlich weit gelangt sind, keines von ihnen aber das Ziel erreicht hat. Dies sei nur den Griechen gelungen, denn nur bei ihnen seien Klima, politische Verfassung und allgemeine Lebensverhältnisse so günstig gewesen, dass die Künstler sich frei entfalten konnten.

Karl Friedrich Schinkel, Blick in Griechenlands Blüte (1825), Kopie von Wilhelm Ahlborn (1836), Öl auf Leinwand, Berlin, Alte Nationalgalerie. Winckelmanns Verklärung der Griechen beflügelte bis weit ins 19. Jahrhundert die Phantasie seiner Leser.
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