#Ergänzungen erkennen: Grundprinzip kritischer Objektanalyse

Diskuswerfer des Myron

Diskuswerfer des Myron

Rekonstruktion des Bronzeoriginals aus der Zeit um 450 v. Chr. von
Marie Diehl, Berlin (Anfang 20. Jahrhundert)
Abguss 1918 erworben.

 

Der Diskuswerfer des Myron ist ein gutes Beispiel dafür, wie falsche Ergänzungen an antiken Skulpturen zu Fehldeutungen führen können: Schon zu Winckelmanns Zeit stand im Kapitolinischen Museum eine römische Kopie dieser berühmten Statue, allerdings unerkannt, denn der Torso war Anfang des 18. Jahrhunderts von dem französischen Bildhauer Monnot völlig sinnentstellend als „Sterbender Gladiator“ ergänzt worden. Auch Winckelmann bemerkte den Irrtum nicht. Erst Giambattista Visconti, sein Nachfolger im Amt des Präsidenten der Altertümer von Rom, erkannte die wahre Bedeutung des vermeintlichen „Sterbenden Gladiators“. Auf die richtige Spur brachte ihn eine fast vollständig erhaltene Kopie, die 1781 auf dem Esquilin in Rom ausgegraben wurde. Sie liegt der hier gezeigten modernen Rekonstruktion des verlorenen Bronzeoriginals zugrunde.

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Ergänzungen erkennen: Grundprinzip kritischer Objektanalyse

Schon am Anfang seiner archäologischen Tätigkeit in Rom wurde Winckelmann auf eine besondere Schwierigkeit aufmerksam, die es bei der Interpretation antiker Skulpturen zu beachten galt: Gerade die für die Deutung wichtigen Teile waren bei vielen Stücken modern ergänzt. Um die bruchstückhaft aufgefundenen Skulpturen ansehnlicher zu machen, war es seit dem 16. Jahrhundert üblich, sie von (mehr oder weniger geschickten) Restauratoren vervollständigen zu lassen. Da oft nur der Torso einer Figur erhalten war und die Gliedmaßen fehlten, mussten ursprüngliches Haltungsmotiv und Attribute erraten werden. Dabei kam es zu teilweise grotesken Fehleinschätzungen.

Unter dem Titel Von der Restauration der Antiquen plante Winckelmann schon früh eine eigene Schrift zu diesem Thema, die er aber nie abschloss. Erst Christian Gottlob Heyne widmete dem Problem 1779 eine methodisch zukunftsweisende Abhandlung. Ohne selbst in Rom gewesen zu sein, konnte er allein anhand der publizierten Literatur viele Irrthümer in der Erklärung alter Kunstwerke aus einer fehlerhaften Ergänzung aufdecken. Die kritische Scheidung von Originalsubstanz und späteren restauratorischen Eingriffen gehört seither zu den Grundlagen professioneller archäologischer Objektanalyse.

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Christian Gottlob Heyne Irrthümer in Erklärung alter Kunstwerke aus einer fehlerhaften Ergänzung

in: ders., Sammlung antiquarischer Aufsätze, Bd. 2,
Leipzig 1779, 172–258

Angeregt durch Winckelmann, aber methodisch präziser als
dieser, zeigt Heyne in diesem Aufsatz, wie viele Fehldeutungen
antiker Monumente auf nicht erkannten Ergänzungen
beruhen. Mangels Autopsie stützt er sich dabei ausschließlich
auf den kritischen Vergleich publizierter Abbildungen und
Beschreibungen. Seine scharfsinnige Argumentation führt zu
Ergebnissen, die in vielen Fällen bis heute gültig sind.

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