Historisch denken: Winckelmann und die Antiquare
Die Erforschung antiker Bilder und Kunstwerke begann lange vor Winckelmann. Das Hauptinteresse der so genannten Antiquare galt den politischen und religiösen Einrichtungen, den Sitten und Gebräuchen der Völker der Alten Welt. Grundlage bildeten dabei die griechischen und lateinischen Textquellen. Die materiellen Zeugnisse dienten nur der Veranschaulichung des schriftlich Überlieferten. In umfangreichen, oft üppig bebilderten Sammelwerken wurde das Material ausgebreitet, doch meist ohne chronologische Ordnung und ohne Beachtung ästhetischer Aspekte.
Winckelmann studierte die Werke der Antiquare gründlich und mit Gewinn, setzte aber deutlich andere Akzente, indem er, wie Heyne 1778 schrieb, „das Studium des Altertums in seinen rechten Kanal einleitete, in das Studium der Kunst“. Der planlosen Gelehrsamkeit der Antiquare, die dazu neigten, isolierte Fakten aufzuhäufen, ohne eine leitende Fragestellung zu verfolgen, setzte er ein gründlich durchdachtes „Lehrgebäude“ entgegen. Letztes Ziel aller Einzelforschung sollte es sein, das „Wesen des Schönen“ zu erfassen und als geschichtliches Phänomen zu verstehen. Mit seinem Entwicklungsmodell, das die verstreuten Überbleibsel in einen logischen Zusammenhang brachte, führte Winckelmann eine ganz neuartige Form historisch-systematischen Denkens in die Altertumskunde ein.
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